Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
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Klassifikation nach ICD-10
F90.- Hyperkinetische Störungen
F90.0 Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
F90.1 Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens
F90.8 Sonstige hyperkinetische Störungen
F90.9 Hyperkinetische Störung, nicht näher bezeichnet
F98.8 Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend, darunter Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität
ICD-10 online (WHO-Version 2006)
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), die auch als Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom oder Hyperkinetische Störung (HKS) bezeichnet wird, ist eine bereits im Kindesalter beginnende psychische Störung, die sich durch Probleme mit der Aufmerksamkeit sowie Impulsivität und häufig auch Hyperaktivität auszeichnet. Etwa drei bis zehn Prozent aller Kinder zeigen Symptome im Sinne einer ADHS. Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen.[1] Die Symptome können mit unterschiedlicher Ausprägung bis in das Erwachsenenalter hinein fortbestehen.
Daneben existieren alternative Bezeichnungen und Abkürzungen, welche teilweise übereinstimmende Krankheitsbilder beschreiben, teilweise spezielle Ausprägungen bezeichnen. Verbreitet ist insbesondere die Bezeichnung Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS). Veraltet sind hingegen die Bezeichnungen Minimale Cerebrale Dysfunktion (MCD) und Psychoorganisches Syndrom (POS). International wird üblicherweise von Attention Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) bzw. Attention Deficit Disorder (ADD) gesprochen.
Die Aufmerksamkeitsdefizitstörung ist nach derzeitigem Stand (2005) ein multifaktoriell bedingtes Störungsbild mit einer erblichen Disposition, welche die Ausbildung der Krankheit begünstigt.[2] Auf neurobiologischer Ebene wird es unter anderem als striatofrontale Dysfunktion erklärt. Für den Verlauf und die individuelle Ausprägung spielen daneben psychosoziale Faktoren und Umweltbedingungen eine wichtige Rolle.
Betroffene und ihre Angehörigen stehen meist unter erheblichem Druck. Versagen in Schule oder Beruf und die Entwicklung von weiteren psychischen Störungen sind häufig. Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad, den jeweiligen Symptomen sowie dem Alter des Betroffenen. Wegen der Komplexität der Störung wird angestrebt, verschiedene Behandlungsansätze zu einer auf den Patienten und sein soziales Umfeld zugeschnittenen Therapie zu kombinieren.
Diagnostik
Voraussetzung für jede Behandlung von ADHS ist eine fundierte Diagnose durch einen mit der Materie vertrauten Psychologen oder auch Arzt, in erster Linie Kinder- und Jugendpsychiater oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut – sog. klinische Diagnose. Dabei müssen auch Differentialdiagnosen und eventuelle begleitende Krankheiten (Komorbiditäten), wie z. B. eine Störung des Sozialverhaltens, Angststörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung (im Jugend- und Erwachsenenalter), beachtet werden.
Es hat sich bei Betroffenen sehr häufig als schwierig herausgestellt, einen kompetenten Facharzt für ADHS zu finden. Viele Betroffene werden erst in relativ fortgeschrittenem Alter diagnostiziert. Kirsten Stollhoff, Autorin des Buches „Hochrisiko ADHS“, hat 1999 vorgerechnet, dass bei den etwa 5 % schwer Betroffenen, von denen man realistischerweise ausgehen könne, in Deutschland 584.700 Kinder behandlungsbedürftig gewesen seien. Behandelt wurden davon nur 10 %.
Hinweise auf ADHS können beispielsweise durch Konzentrationstests, wie den BP-Konzentrationstest nach Esser, gefunden werden. Es muss aber betont werden, dass ein schlechtes – oder gutes – Abschneiden in einem bestimmten Test nicht mehr als ein Indiz ist. Als spezifisches psychodiagnostisches Testverfahren steht von Manfred Döpfner, G. Lehmkuhl und H.-C. Steinhausen eine Diagnose-Checkliste für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (DCL-ADHS) zur Verfügung.[12]
Eine Diagnose sollte sich auf Informationen aus unterschiedlichen Quellen stützen, da ein einzelner Test nicht die komplette Differentialdiagnostik abdecken kann. Zur grundlegenden Diagnostik gehören daher neben der Befragung des betroffenen Kindes, der Eltern/Erzieher und Lehrkräfte auch eine gründliche psychologische Testdiagnostik, eine neurologische Untersuchung sowie Verhaltensbeobachtung.
Als Voraussetzung für die Diagnose ADHS müssen die Symptome mindestens seit sechs Monaten vorliegen und erstmals schon vor dem siebten Lebensjahr aufgetreten sein. Nach Krause („ADHS im Erwachsenenalter“, 2005) kann sich ADHS allerdings bei Frauen auch erst in der Pubertät zeigen. Auf jeden Fall müssen die Symptome deutliche Beeinträchtigungen für das tägliche Leben der betroffenen Person mit sich bringen. Ein Ausschluss von möglichen anderen Störungen, welche die hyperkinetischen Symptome besser erklären würden, ist dabei unerlässlich. Es darf zum Beispiel keine tiefgreifende Entwicklungsstörung, keine Schizophrenie und keine andere psychotische Störung vorliegen.
Für die Fremdurteile (Lehrkräfte, Eltern) steht eine Reihe von Fragebogenverfahren zur Verfügung. Besser ist jedoch die direkte Beobachtung des Kindes in der Schule und zuhause; diese sollte zusätzlich erfolgen.
Eine testpsychologische Untersuchung sollte mindestens ein bis zwei Stunden dauern, um auch eine gründliche Verhaltensbeobachtung in der Testsituation zu gewährleisten. Reine Konzentrationstests wie etwa der d2-Test (Brickenkamp) oder der BP-Konzentrationstest nach Esser reichen allein nicht aus, um eine Aussage über die Konzentrationsfähigkeit eines Kindes im Alltag zu treffen, zusätzlich müssen eine Reihe weiterer Tests, z. B. der Denkfertigkeiten („Intelligenztest“), durchgeführt werden. Auch sollte eine Intelligenzdiagnostik durchgeführt werden.
In Kliniken oder ärztlichen Praxen wird aus Kostengründen selten zusätzlich eine MRT angefertigt. Ein EEG wird durchgeführt, um Auskunft darüber zu geben, ob andere Erkrankungen vorliegen. Vor allem im Falle einer Medikation soll auf diese Weise ausgeschlossen werden, dass etwa eine Epilepsie vorliegt.
Klassifizierung nach ICD und DSM
Die ICD-10 unterteilt ADHS wie folgt:
* Störung von Aktivität und Aufmerksamkeit (F90.0)
* Hyperkinetische Störung mit Störung des Sozialverhaltens (F90.1)
* Andere hyperkinetische Störungen (F90.8 oder F.90.9)
* Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (F98.8)
Im DSM-IV werden drei Typen von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen unterschieden. In den Klammern steht der jeweilige Diagnoseschlüssel, welcher nach dem ICD 10 zutreffen würde:
* 314.01 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Mischtypus (ICD 10: F90.0)
* 314.01 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Vorwiegend Hyperaktiv-Impulsiver Typus (ICD 10: F90.1)
* 314.00 Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, Vorwiegend Unaufmerksamer Typus (ICD 10: F98.8)
Durch ihre motorische Hyperaktivität fallen die beiden ersten Typen mit Aufmerksamkeitsdefizitstörung eher auf als der nach außen nicht hyperkinetisch wirkende, unaufmerksame Typus. Dieser Typ scheint eher verträumt und ruhig zu sein. Innere Unruhe beziehungsweise gedankliche Umtriebigkeit und Impulsivität können jedoch genauso auftreten wie bei den anderen Typen. Oft kommt es erst relativ spät zu einem scheinbar unerklärlichen Versagen in der Schule oder im Beruf. Es wird vermutet, dass Mädchen in dieser Gruppe stärker vertreten sind als in den beiden anderen und deshalb seltener diagnostiziert werden. Helga Simchen benutzt den Begriff hypoaktiv für den unaufmerksamen Typ der ADHS.
ICD-10
Die ICD-10 gibt folgende Kriterien zur Diagnose von ADHS an:
A. In Bezug auf Alter und Entwicklungsstand nachweisbare Abnormität von Aufmerksamkeit und Aktivität zu Hause. Gekennzeichnet durch mindestens drei dieser Aufmerksamkeitsschwierigkeiten:
1. Kurze Dauer spontaner Aktivitäten.
2. Mangelnde Ausdauer beim Spielen.
3. Überhäufiges Wechseln zwischen verschiedenen Aktivitäten.
4. Stark beeinträchtigte Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben, die von Erwachsenen gestellt werden.
5. Ungewöhnlich hohe Ablenkbarkeit während schulischer Arbeiten wie Hausaufgaben oder Lesen.
6. Ständige motorische Unruhe (rennen, hüpfen, Füße wippen etc.).
7. Bemerkenswert ausgeprägte Zappeligkeit und Bewegungsunruhe während spontaner Beschäftigungen.
8. Bemerkenswert ausgeprägte Aktivität in Situationen, die relative Ruhe verlangen (wie z. B. Mahlzeiten, Reisen, Besuche, Gottesdienst).
9. Schwierigkeiten, sitzen zu bleiben, wenn es verlangt wird.
B. In Bezug auf Alter und Entwicklungsstand nachweisbare Abnormität von Aufmerksamkeit und Aktivität im Kindergarten oder in der Schule (falls zutreffend). Gekennzeichnet durch mindestens drei dieser Aufmerksamkeitsschwierigkeiten:
1. Außergewöhnlich geringe Ausdauer bei der Bewältigung von Aufgaben.
2. Außergewöhnlich hohe Ablenkbarkeit, d.h. häufiges Zuwenden zu externen Stimuli.
3. Überhäufiger Wechsel zwischen verschiedenen Aktivitäten, wenn mehrere zur Auswahl stehen.
4. Extrem kurze Dauer von spielerischen Beschäftigungen.
5. Beständige und exzessive motorische Unruhe (Rennen, Hüpfen, Füße wippen etc.) in Situationen, in denen freie Aktivität erlaubt ist.
6. Bemerkenswert ausgeprägte Zappeligkeit und motorische Unruhe in strukturierten Situationen.
7. Extrem viel Nebenaktivitäten bei der Erledigung von Aufgaben.
8. Fehlende Fähigkeit, auf dem Stuhl sitzenbleiben zu können, wenn es verlangt wird.
Daneben darf es sich nicht um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung (F84), Manie (F30), Depression (F32) oder Angststörung (F41) handeln, die Symptomatik sollte vor dem 6. Lebensjahr beginnen und mindestens 6 Monate andauern und der IQ muss einen Wert von 50 überschreiten.
DSM-IV
Für eine Diagnose nach den Kriterien des DSM IV, müssen in den Bereichen der Unaufmerksamkeit oder der Hyperaktivität und Impulsivität jeweils sechs (oder mehr) Symptome in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessen Ausmaß vorhanden gewesen sein.
Symptome der Unaufmerksamkeit
Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome von Unaufmerksamkeit sind während der letzten sechs Monate in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessen Ausmaß vorhanden gewesen:
1. beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten
2. hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten
3. scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn/sie ansprechen
4. führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen (nicht aufgrund oppositionellen Verhaltens oder Verständigungsschwierigkeiten)
5. hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren
6. vermeidet häufig oder hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die länger dauernde geistige Anstrengungen erfordern (wie Mitarbeit im Unterricht oder Hausaufgaben)
7. verliert häufig Gegenstände, die für Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden (z. B. Spielsachen, Hausaufgabenhefte, Stifte, Bücher oder Werkzeug)
8. lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken
9. ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich.
Hyperaktivität und Impulsivität
Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome der Hyperaktivität und Impulsivität sind während der letzten sechs Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß vorhanden gewesen:
Symptome der Hyperaktivität
1. zappelt häufig mit Händen oder Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum
2. steht in der Klasse oder in Situationen, in denen Sitzen bleiben erwartet wird, häufig auf
3. läuft herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen es unpassend ist (bei Jugendlichen oder Erwachsenen kann das auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben)
4. hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen
5. ist häufig „auf Achse“ oder handelt oft, als wäre es „getrieben“
6. redet häufig übermäßig viel.
Symptome der Impulsivität
1. platzt häufig mit Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist
2. kann nur schwer warten, bis es an der Reihe ist
3. unterbricht und stört andere häufig (platzt z. B. in Gespräche oder Spiele anderer hinein).
Für eine Diagnose nach den Kriterien des DSM IV ist es des Weiteren unerlässlich, dass
* einige Symptome vor dem 7. Lebensjahr und in zwei oder mehr Bezugssystemen (z. B. Schule, Arbeitsplatz oder Zuhause) auftreten
* deutliche Belege für eine klinisch bedeutsame Beeinträchtigung im sozialen, Lernleistungs- oder beruflichen Bereich vorhanden sind
* die Symptome nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden können (z.B. Affektive Störung, Angststörung, Dissoziative Störung oder eine Persönlichkeitsstörung).
Das multimodale Vorgehen
Die multimodale Behandlung kann folgende Interventionen enthalten, die stets auf den Einzelfall abgestimmt werden. Die Interventionen können in einem ambulanten sowie voll- oder teilstationären Setting angewendet werden:
* Aufklärung und Beratung (Psychoedukation) der Eltern, des Kindes/Jugendlichen und des Erziehers bzw. des Klassenlehrers
* Elterntraining (auch in Gruppen) und Interventionen in der Familie (einschl. Familientherapie) zur Verminderung der Symptomatik in der Familie.
* Interventionen im Kindergarten und Schule (einschl. Platzierungs-Interventionen) zur Verminderung der Symptomatik im Kindergarten sowie in der Schule. Das heißt, es können sowohl spezielle Förderungen für das Kind/den Jugendlichen durch die Schulpsychologie erfolgen, wie Frühförderung oder Vorschule, als auch ein Schulwechsel.
* Kognitive Therapie des Kindes/Jugendlichen (ab dem Schulalter) zur Verminderung von impulsiven und unorganisierten Aufgabenlösungen (Selbstinstruktionstraining) oder zur Anleitung des Kindes/Jugendlichen zur Modifikation des Problemverhaltens (Selbstmanagement). Siehe Verhaltenstherapie
* Pharmakotherapie zur Verminderung hyperkinetischer Symptome in der Schule (im Kindergarten), in der Familie oder in anderen Umgebungen. Siehe Pharmakotherapie
* Außerdem können diätetische Behandlungen (oligoantigene Diät (II)) hilfreich sein. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um die Wirksamkeit und die Indikation dieser Intervention genauer abschätzen zu können. Vermutlich ist diese Behandlung nur selten hilfreich, möglicherweise häufiger bei Kindern im Vorschulalter. Hier liegen lediglich vereinzelte Studien vor, die kein genaues Bild der Wirksamkeit zulassen.
Die Behandlung der evtl. vorliegenden komorbiden Störung (siehe: Komorbiditäten und Folgeerkrankungen) sollte durch eine spezielle Behandlung der komorbiden Erkrankung erfolgen. Dazu kann auch auf soziales Kompetenztraining zurückgegriffen werden, welches soziale Defizite verbessern soll. Geringes Selbstwertgefühl kann durch Einzeltherapie oder Gruppentherapie auf tiefenpsychologischer und verhaltenstherapeutischer Basis verbessert werden.[13]
Medikation
Eine Medikation ist bei Mittel- und Schwerbetroffenen in vielen Fällen angezeigt. Ziel dieser Behandlung ist es, die Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbststeuerungsfähigkeit zu verbessern sowie den Leidensdruck der Betroffenen zu mindern. In manchen Fällen werden so erst die Voraussetzungen für weitere therapeutische Arbeit geschaffen.[14] Zur medikamentösen Behandlung der ADHS werden in erster Linie Stimulanzien eingesetzt, welche den Dopaminstoffwechsel im Gehirn beeinflussen. Dazu gehören Methylphenidat und Amphetaminderivate (D-L Amphetamin), die etwa seit Mitte des letzten Jahrhunderts verwendet werden. Etwa 70 % der Betroffenen sprechen darauf an. Weiterhin können auch auf den Dopamin- oder Noradrenalinhaushalt wirkende Antidepressiva zur Behandlung eingesetzt werden.
Verhaltenstherapie
Psychotherapeutische Behandlungsmethoden gelten als ein wesentlicher Bestandteil im Rahmen der multimodalen Therapie. Zielsetzung ist dabei, eine möglichst angemessene Kompetenz im Umgang mit den ADHS-Besonderheiten und -Problemen zu erwerben.
Im Kindesalter orientieren sich verhaltenstherapeutische Therapieprogramme daran, in einem Elterntraining Informationen zu ADHS und geeignete Hilfen zum Aufbau von festen Regeln und Strukturen zu vermitteln (z. B. Verstärkersysteme mit einem Token-System oder Response-Cost, Hilfen im Umgang mit Problemverhalten). Weitere Zielsetzungen können die Verbesserung der Selbststeuerung (z. B. durch Coaching, Selbstinstruktionstraining oder Selbstmanagement-Methoden) und der Aufbau bzw. die Stärkung des Selbstwertgefühls der Kinder und Jugendlichen sein.
Zur Behandlung wurden Therapieprogramme entwickelt, die speziell auf die Verhaltensprobleme und die Aufmerksamkeit der betroffenen Kinder ausgerichtet sind. Durch verschiedene beiliegende Materialien und Übungen wird versucht, das Verhalten der Kinder und deren Aufmerksamkeit zu verbessern. Sie verwenden zumeist Pläne und versuchen schon Kindern Wissen über Aufmerksamkeit, strategisches Handeln zu vermitteln. Ein wichtiger Bestandteil sind die Eltern, welche die unterschiedlichen Therapieschritte zumeist unterstützen und kontrollieren müssen.
Das THOP (Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten) ist ein multimodales Behandlungsprogramm für Hyperaktives und Oppositionelles Verhalten. Es konzentriert sich vor allem auf die Verhaltensstörungen und wird bei schweren Störungen zumeist mit begleitender medikamentöser Therapie durchgeführt. Ein wichtiger Bestandteil des Programmes ist es, auch den Eltern ein positives Erleben des Kindes und mit dem Kind zu ermöglichen. Auch Positives am Kind zu sehen, fällt den Eltern hyperkinetischer Kinder häufig schwer, da diese Kinder sich aus der Sicht der Eltern oft unverständlich und unlogisch verhalten. Das Therapieprogramm kann auch auf die Schule oder den Kindergarten ausgeweitet werden.[22]
Im Erwachsenenalter werden ebenfalls Methoden der Verhaltenstherapie und der kognitiven Verhaltenstherapie angewandt.
Tiefenpsychologie
Wenn tiefenpsychologische Ansätze im Kontext von ADHS Anwendung finden, dann meist zur Behandlung von Begleitstörungen und Folgeerkrankungen wie z. B. Ängsten, Depressionen, Essstörungen, Suchtproblemen, Persönlichkeitsstörungen. Liegen erhebliche Selbstwertprobleme und negative Selbstüberzeugungen vor, werden auch tiefenpsychologische Behandlungsmethoden zur Stärkung der Ich-Strukturen eingesetzt. Hinsichtlich der insbesondere in Bezug auf Angststörungen als kritisch beurteilten Wirksamkeit derartiger Ansätze vgl. Psychotherapieforschung.
Familientherapie
Da häufig das gesamte Familiensystem betroffen ist, haben auch systemische Behandlungskonzepte einen Stellenwert in der Therapie. Die Berücksichtigung der selbst betroffenen Elternteile hinsichtlich der Bindungsstrukturen und des Interaktionsverhaltens in der Familie gewinnen zunehmend an Bedeutung. Besonders hilfreich sind die Angebote, die als Elterntraining direkt im psychosozialen Umfeld des Kindes stattfinden.
Interventionen bei schulischen Problemen
Bei Schwierigkeiten in der Schule oder im Kindergarten können bei vorhandenen Ressourcen neben einer Beratung der Lehrer und Erzieher in Kooperation mit Eltern, Lehrern und Erziehern verhaltenstherapeutische Interventionen installiert werden. Hier können Token-Systeme, ein Response-Cost, die vom Lehrer erteilte Auszeit oder die Selbstmanagement-Therapie verwendet werden.
Sollte das Kind bereits im Vorschulbereich eine stark ausgeprägte Symptomatik aufweisen, kann ein Besuch der Vorschule oder eines Förderkindergartens sinnvoll sein.
Bei Kindern, die an ADHS leiden, muss sorgfältig geprüft werden, welche Schulform ihrer grundlegenden Leistungsfähigkeit entspricht. Dabei muss immer geprüft werden, ob sie schulisch über- oder unterfordert sind. Bei massiven Verhaltensauffälligkeiten kann auch der Besuch einer Integrativen Klasse oder Förderschule für Erziehungshilfen notwendig werden. Der Besuch einer Heimschule mit spezieller pädagogischer Förderung kann sinnvoll sein, wenn der Besuch einer Regel- oder Förderschule nicht mehr möglich ist. Hier besteht die Möglichkeit der intensiven pädagogischen Förderung in kleinen Gruppen.[23][13] [24]
Hilfen zur Erziehung
Die Jugendhilfe bietet interessierten Eltern als unterstützende Maßnahmen Hilfen zur Erziehung, zum Beispiel Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe, Tagesgruppen. Dabei wird versucht, mit modernen erzieherischen Methoden und einer speziellen Förderung die oft existierenden Defizite im Verhalten zu verringern und darüber auch eine Verbesserung der schulischen Leistungen zu bewirken.
Eltern haben auch die Möglichkeit, selbst gewählte Hilfen über das regional zuständige Jugendamt zu beantragen. Nach §5 SGB VIII besteht für die Eltern ein Wunsch- und Wahlrecht hinsichtlich der Art des Hilfeangebotes und des Anbieters / Beraters. In der Regel reicht es, einen formlosen Antrag auf Hilfe zur Erziehung zu stellen.
Coaching
Bei einem Coaching steht dem Betroffenen neben dem Therapeuten und dem Arzt noch eine Vertrauensperson zur Verfügung, die ihn unterstützt, mit ihm Ziele entwirft und mit ihm gemeinsam Strategien entwickelt, wie diese Ziele zu erreichen sind. Somit arbeitet der Coach fast permanent mit dem Betroffenen und hilft ihm, die getroffenen Vorsätze umzusetzen.
Ergotherapie
Mit ADHS ist häufig eine Neigung zur Grobmotorik und eine Störung der Feinmotorik verbunden. Abhilfe hier kann eine Ergotherapie schaffen
http://www.ads-hyperaktivitaet.de/
http://www.adhs.de/