Hallo!
Wie versprochen der Beitrag zur Heriditären spastischen Spinalparese (HSP); Übersetzung: Fortschreitende spastische Nervenlähmung.
Die Krankheit ist genetisch und gehört mit max. 4000 Betroffenen in Deutschland zu den Seltenen, daher kommt die Forschung nur langsam voran.
Inzwischen gibt es ca. 40 bekannte Gene, die HSP auslösen können, warum und wann es irgendwann im Leben zum Ausbruch kommt, ob es einen Auslöser gibt, ist noch unsicher. Im Normalfall, wenn man das so sagen darf, treten die ersten Verschlechterungen (öfter Stolpern und Hinfallen, schlurfender Gang) im 3. bis 4. Lebensjahrzehnt auf, also dann, wenn die Person voll im Berufs-, Familien-, Hobbyleben steht, was dann einen großen Rückschlag bedeutet. Innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte verschlechtert sich das Gangbild ständig zum Schlechteren, bei jedem einzelnen unterschiedlich schnell. Einige brauchen schon nach wenigen Monaten oder Jahren Gehstock, Rollator oder Rollstuhl, bei anderen dauert es bis dahin weitere Jahrzehnte. Das ist auch der Grund, warum es so wenige von HSP betroffene Kinder gibt.
Ärzte kennen diese Krankheit kaum, verwechseln es oft mit MS. Der Krankheitsbeginn ist ähnlich, aber HSP ist erblich, MS nicht. Wenn es also mehrere angeblich an MS erkrankte Personen innerhalb einer Familie gibt, auch generationsübergreifend, Geschwister, Cousins, Cousinen u.ä., sollte man an HSP denken. Einige, die mit etwa 40 HSP bekommen, sagen zum Arzt: "Meine Mutter ist auch schlechter gelaufen im Alter, aber das war keine Krankheit, sondern eben das Alter der Person." In solchen Fällen kann es aber auch HSP sein, die dann erst mit 60 oder 70 sichtbar wird, die Person kann irgendwann nicht mehr gefragt werden, ob deren Eltern oder Geschwister auch diese Auffälligkeiten hatten. Dadurch kann dann kein genetischer Zusammenhang mehr hergestellt werden, die 40jährige Person ist dann die angeblich erste betroffene Person der Familie, was leztendlich nicht stimmt.
HSP betrifft meistens "nur" die Beine, es gibt aber auch noch seltenere Unterformen, die zu Inkontinenz, Epilepsie, Demenz, Armkraftverlust oder Verschiebung des Beginnalters führen können.
In der Familie meines Ex-Mannes, also auch bei Jacqueline, ist das letztere der Fall. Die ganze Familie ist generationsweise im Kindesalter, etwa Einschulungsalter, erkrankt. Auch ist die Quote der Vererbung höher; im Normalfall liegt sie bei 50%, bei uns, je nach Generation, bei 75 bis 100%.
Jacquelines Beginnalter weicht aber auch davon ab, sie zeigte die ersten Verschlechterungen mit etwa 3 1/4, Ende 2005.Auch der Verlauf geht schneller voran als bei anderen, sie hat es also doppelt hart getroffen. In den letzen 4 Jahren ist sie immer mehr zum Fast-Rollikind geworden. Sie ist jetzt 7, wenn operativ nicht oder zu spät eingegriffen wird, so ist meine eigene Prognose, wird sie noch innerhalb der Grundschule (Integrationsklasse) den Rollstuhl brauchen, also etwa mit 10 Jahren. Im Vergleich: Mein Ex-Mann bekam den Rollstuhl mit etwa 20, wieder andere sehr viel später.
Unser Problem ist, dass es in ganz Deutschland nur etwa 15 Neurologen gibt, die sich als HSP-Experten bezeichnen, alle nur auf Erwachsene spezialisiert. Die einzige HSP-Sprechstunde speziell für Kinder sitzt an der Uni Freiburg, das neueröffnete "Zentrum für Seltene Erkrankungen" aller Art in Tübingen, alles weit weg von Hamburg aus gesehen. Eine Liste mit Orthopäden gibt es gar nicht. Man muß bedenken, die Ursache der HSP ist neurologisch angelegt "Spinalparese", aber die Folgen davon, schlechtes Gangbild, Hüft- und Rückenschäden muß der Orthopäde operieren...... alles nicht einfach.
Letztes Jahr haben wir 2 Behandlungsversuche mit Botox gemacht, die keinerlei Wirkung zeigten, andere haben damit gute Erfolge. Im Dezember 2009 schlug man uns die Baclofenpumpe vor, was sich auch erstmal gut anhörte. Nach einigen Nachforschungen und einem Besuch beim HSP-Experten in Kiel wollen wir das aber nicht mehr. Er sagt, Jacqueline wäre für die Pumpe noch zu jung und zu zierlich gebaut, eine Option für später ist die Pumpe aber sicher. Auch sprachen wir mir anderen HSP'lern, viele sagten, die starke Spastik hätte sich zwar verbessert, aber nicht das Gangbild, was aber so wichtig für Jacqueline ist. Ihr Gangbild beschrieb ich bereits im Vorstellungsbeitrag.
Mitte April 2010 fahre ich für ein Wochenende nach Braunlage / Harz zum Bundes- und Jahrestreffen der HSP-Selbsthilfegruppe. Es wird dort Vorträge zum Fortkommen der Forschung, Möglichkeiten von Hilfsmitteln und weitere Gesprächsrunden geben. Ich fahre das erste Mal mit, freue mich, andere Betroffene, auch mit Kindern, kennen zu lernen und mal zu schauen, wie die Gangbilder der anderen sind. Überwiegend besteht die Gruppe aber aus älteren Personen, was die Krankheit so mit sich bringt, ich werde wohl zu den Jüngsten gehören, Jacqueline ist dann beim Vater, wo sie auch lebt.
Ich werde an dieser Stelle den Beitrag beenden, er ist sehr lang geworden. Mir ist es aber wichtig gewesen, deutlich zu machen, wie umfangreich und schwierig es ist, mit HSP eine gute ärztliche Versorgung zu bekommen. Für Fragen bin ich jederzeit offen.
Gruß, Katrin