HSP - Was ist das?

Forum zum Thema Körperbehinderung und alle damit in Verbindung stehenden Fragen.

HSP - Was ist das?

Beitragvon KatrinHH » 31/3/2010, 18:19

Hallo!

Wie versprochen der Beitrag zur Heriditären spastischen Spinalparese (HSP); Übersetzung: Fortschreitende spastische Nervenlähmung.

Die Krankheit ist genetisch und gehört mit max. 4000 Betroffenen in Deutschland zu den Seltenen, daher kommt die Forschung nur langsam voran.
Inzwischen gibt es ca. 40 bekannte Gene, die HSP auslösen können, warum und wann es irgendwann im Leben zum Ausbruch kommt, ob es einen Auslöser gibt, ist noch unsicher. Im Normalfall, wenn man das so sagen darf, treten die ersten Verschlechterungen (öfter Stolpern und Hinfallen, schlurfender Gang) im 3. bis 4. Lebensjahrzehnt auf, also dann, wenn die Person voll im Berufs-, Familien-, Hobbyleben steht, was dann einen großen Rückschlag bedeutet. Innerhalb der nächsten Jahre und Jahrzehnte verschlechtert sich das Gangbild ständig zum Schlechteren, bei jedem einzelnen unterschiedlich schnell. Einige brauchen schon nach wenigen Monaten oder Jahren Gehstock, Rollator oder Rollstuhl, bei anderen dauert es bis dahin weitere Jahrzehnte. Das ist auch der Grund, warum es so wenige von HSP betroffene Kinder gibt.
Ärzte kennen diese Krankheit kaum, verwechseln es oft mit MS. Der Krankheitsbeginn ist ähnlich, aber HSP ist erblich, MS nicht. Wenn es also mehrere angeblich an MS erkrankte Personen innerhalb einer Familie gibt, auch generationsübergreifend, Geschwister, Cousins, Cousinen u.ä., sollte man an HSP denken. Einige, die mit etwa 40 HSP bekommen, sagen zum Arzt: "Meine Mutter ist auch schlechter gelaufen im Alter, aber das war keine Krankheit, sondern eben das Alter der Person." In solchen Fällen kann es aber auch HSP sein, die dann erst mit 60 oder 70 sichtbar wird, die Person kann irgendwann nicht mehr gefragt werden, ob deren Eltern oder Geschwister auch diese Auffälligkeiten hatten. Dadurch kann dann kein genetischer Zusammenhang mehr hergestellt werden, die 40jährige Person ist dann die angeblich erste betroffene Person der Familie, was leztendlich nicht stimmt.
HSP betrifft meistens "nur" die Beine, es gibt aber auch noch seltenere Unterformen, die zu Inkontinenz, Epilepsie, Demenz, Armkraftverlust oder Verschiebung des Beginnalters führen können.

In der Familie meines Ex-Mannes, also auch bei Jacqueline, ist das letztere der Fall. Die ganze Familie ist generationsweise im Kindesalter, etwa Einschulungsalter, erkrankt. Auch ist die Quote der Vererbung höher; im Normalfall liegt sie bei 50%, bei uns, je nach Generation, bei 75 bis 100%.
Jacquelines Beginnalter weicht aber auch davon ab, sie zeigte die ersten Verschlechterungen mit etwa 3 1/4, Ende 2005.Auch der Verlauf geht schneller voran als bei anderen, sie hat es also doppelt hart getroffen. In den letzen 4 Jahren ist sie immer mehr zum Fast-Rollikind geworden. Sie ist jetzt 7, wenn operativ nicht oder zu spät eingegriffen wird, so ist meine eigene Prognose, wird sie noch innerhalb der Grundschule (Integrationsklasse) den Rollstuhl brauchen, also etwa mit 10 Jahren. Im Vergleich: Mein Ex-Mann bekam den Rollstuhl mit etwa 20, wieder andere sehr viel später.

Unser Problem ist, dass es in ganz Deutschland nur etwa 15 Neurologen gibt, die sich als HSP-Experten bezeichnen, alle nur auf Erwachsene spezialisiert. Die einzige HSP-Sprechstunde speziell für Kinder sitzt an der Uni Freiburg, das neueröffnete "Zentrum für Seltene Erkrankungen" aller Art in Tübingen, alles weit weg von Hamburg aus gesehen. Eine Liste mit Orthopäden gibt es gar nicht. Man muß bedenken, die Ursache der HSP ist neurologisch angelegt "Spinalparese", aber die Folgen davon, schlechtes Gangbild, Hüft- und Rückenschäden muß der Orthopäde operieren...... alles nicht einfach.

Letztes Jahr haben wir 2 Behandlungsversuche mit Botox gemacht, die keinerlei Wirkung zeigten, andere haben damit gute Erfolge. Im Dezember 2009 schlug man uns die Baclofenpumpe vor, was sich auch erstmal gut anhörte. Nach einigen Nachforschungen und einem Besuch beim HSP-Experten in Kiel wollen wir das aber nicht mehr. Er sagt, Jacqueline wäre für die Pumpe noch zu jung und zu zierlich gebaut, eine Option für später ist die Pumpe aber sicher. Auch sprachen wir mir anderen HSP'lern, viele sagten, die starke Spastik hätte sich zwar verbessert, aber nicht das Gangbild, was aber so wichtig für Jacqueline ist. Ihr Gangbild beschrieb ich bereits im Vorstellungsbeitrag.

Mitte April 2010 fahre ich für ein Wochenende nach Braunlage / Harz zum Bundes- und Jahrestreffen der HSP-Selbsthilfegruppe. Es wird dort Vorträge zum Fortkommen der Forschung, Möglichkeiten von Hilfsmitteln und weitere Gesprächsrunden geben. Ich fahre das erste Mal mit, freue mich, andere Betroffene, auch mit Kindern, kennen zu lernen und mal zu schauen, wie die Gangbilder der anderen sind. Überwiegend besteht die Gruppe aber aus älteren Personen, was die Krankheit so mit sich bringt, ich werde wohl zu den Jüngsten gehören, Jacqueline ist dann beim Vater, wo sie auch lebt.


Ich werde an dieser Stelle den Beitrag beenden, er ist sehr lang geworden. Mir ist es aber wichtig gewesen, deutlich zu machen, wie umfangreich und schwierig es ist, mit HSP eine gute ärztliche Versorgung zu bekommen. Für Fragen bin ich jederzeit offen.

Gruß, Katrin
Katrin (10/74), Tetraspastik / Diplegie und Epilepsie ohne Hilfsmittel; Jacqueline (9/02), HSP, eine seltene genetische fortschreitende Erkrankung, seit Sommer 2010 mit Rolli. Sie hat es vom Vater geerbt, lebt auch bei ihm.
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Re: HSP - Was ist das?

Beitragvon Mone80 » 31/3/2010, 20:24

Hallo, ich habe Deinen Beitrag mit Spannung und erschrecken gelesen.


Es ist immer wieder Schade das es so wenig Spezialisten gibt - die sich mit solchen spez. Krankheiten auskennen.

Liebe Grüße
Mone80
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Re: HSP - Was ist das?

Beitragvon KatrinHH » 6/4/2010, 10:24

Hallo!

Fehlerkorrektur: Ich bekomme es immer durcheinander, es heißt nicht Parese sondern Paralyse. Ich kann mir das nicht merken, sorry.

Wo ist da eigentlich der Unterschied, wer kann mir das erklären?


Gruß, Katrin
Katrin (10/74), Tetraspastik / Diplegie und Epilepsie ohne Hilfsmittel; Jacqueline (9/02), HSP, eine seltene genetische fortschreitende Erkrankung, seit Sommer 2010 mit Rolli. Sie hat es vom Vater geerbt, lebt auch bei ihm.
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Re: HSP - Was ist das?

Beitragvon Mone80 » 6/4/2010, 16:28

Hallo Katrin,

ich habe Dir mal eine Begriffserklärung rauskopiert:
Parese (griechisch πάρεσις páresis „Erschlaffen“) ist gleichbedeutend mit Lähmung. Oft wird das Wort jedoch einschränkend im Sinne von „inkomplette Kraftminderung“ verwendet. Eine vollständige Lähmung bezeichnet man auch als Paralyse oder Plegie, eine Gefühlslähmung, also eine Taubheit, als Sensibilitätsstörung.

Paresen haben meistens ihre Ursache in neurologischen Störungen, z. B. des ersten Motoneurons, welches vom Gehirn bis zum Rückenmark verläuft und dort umgeschaltet wird.
Monoparese [Bearbeiten]

Die Monoparese bezeichnet eine Lähmung einer Gliedmaße oder eines Gliedmaßenabschnittes.
Diparese [Bearbeiten]

Die Diparese bezeichnet eine Lähmung von zwei Gliedmaßen (Arm und Bein) oder eines Gliedmaßenpaares (beide Beine bzw. Arme).
Paraparese [Bearbeiten]

Als Paraparese bezeichnet man die Lähmung beider Beine (bzw. bei Tieren der Hinterbeine), z. B. als Symptom einer Querschnittlähmung, wenn das Rückenmark unterhalb einer bestimmten Höhe geschädigt ist. Paraplegie wird darüberhinaus als Synonym für Querschnittlähmung verwendet, auch wenn nicht nur beide Beine gelähmt sind.
Hemiparese [Bearbeiten]

Hemiparese bezeichnet die Lähmung einer Körperseite (Halbseitenlähmung). Ist die Körperseite komplett gelähmt, spricht man auch von einer Hemiplegie. Sie ist bedingt durch eine zentrale Läsion (z. B. Schlaganfall) und tritt typischerweise auf der kontralateralen (gegenüberliegenden) Seite der Schädigung auf, da die betroffenen Nervenbahnen zur Gegenseite kreuzen und der Schädigungsort vor dieser Kreuzung liegt.
Tetraparese [Bearbeiten]

Tetraparese bezeichnet eine Lähmung aller vier Extremitäten. Dabei wird zwischen spastischer und schlaffer Tetraparese unterschieden. Bei einer schlaffen Tetraparese ist der Muskeltonus vermindert (hypoton). Spastische Tetraparesen zeigen einen erhöhten Muskeltonus.

Eine spastische Tetraparese entsteht typischerweise durch eine Schädigung des Rückenmarks oder durch einen frühkindlichen Hirnschaden. Seltener liegt eine isolierte Schädigung der Pons zugrunde. Schlaffe Tetraparesen können z. B. im Rahmen eines Guillain-Barré-Syndroms entstehen.

Tritt eine Lähmung bereits im Säuglingsalter auf, besteht wegen der fehlenden Bewegungsmöglichkeiten die Gefahr, dass sekundäre, lebenswichtige Reize nicht aufgenommen werden können. Häufig persistieren dadurch die infantilen Reflexe wie der symmetrisch-tonische Nacken-Reflex (STNR), der tonische Labyrinth-Reflex (TLR) oder der asymmetrisch-tonische Nacken-Reflex (ATNR). Betroffene haben Probleme mit der Augen-Hand-Koordination, dem Zusammenführen beider Hände und dem Überkreuzen der Körpermitte.







Unter einer Plegie (griechisch πληγή, plijí, altgriechische Aussprache plēgḗ, ursprünglich „Schlag“, „Lähmung“, heute „Wunde“) versteht man eine vollständige Lähmung von Skelettmuskeln. Als Synonym verwendet man oft auch den Begriff der Paralyse (gelehrtes Griechisch παράλυσις, parálysis, „[vollständige] Lähmung“, „Erstarrung“), der aber weiter gefasst ist und auch Muskel- bzw. Nervengruppen einschließt, die nicht das Skelettsystem bewegen (z. B. bei Hirnnerven Bulbärparalyse, Argyll-Robertson-Paralyse, bei Glatter Muskulatur paralytischer Ileus).

Paralysen können für einzelne Muskeln oder Muskelgruppen auftreten, wenn der sie versorgende Nerv oder dessen Wurzelzellen im Rückenmark zerstört sind. Plegien ganzer Gliedmaßen oder Gliedmaßenabschnitte treten beispielsweise beim spinalen Querschnittsyndrom auf. Beim Menschen kommen sie, infolge der großen Bedeutung der Pyramidenbahn, auch bei Schäden des motorischen Cortex vor. Einzelne Muskelgruppen können auch durch eine Schädigung der sie innervierenden Nerven des Plexus brachialis und Plexus lumbosacralis ausfallen

1 Sonderformen [Bearbeiten]
1.1 Monoplegie [Bearbeiten]

Als Monoplegie wird die komplette Lähmung einer Gliedmaße oder eines Gliedmaßenabschnitts bezeichnet.
1.2 Paraplegie [Bearbeiten]

Eine Paraplegie ist die komplette Lähmung beider (Hinter-)Beine oder beider Arme (Vorderbeine). Paraplegie ist darüber hinaus ein Synonym für Querschnittlähmung.
1.3 Hemiplegie [Bearbeiten]

Eine Hemiplegie ist die komplette Lähmung einer Körperseite. Der Begriff wird auch für Organe außerhalb des Bewegungssystems, z. B. für die halbseitige Kehlkopflähmung verwendet.
1.4 Tetraplegie [Bearbeiten]

Die Tetraplegie ist die komplette Lähmung aller vier Gliedmaßen.


Ich hoffe es ist jetzt deutlicher!!!

Das Wort Paralyse kannte ich auch nicht :roll: . Bei uns wird eher Plegie benutzt!!!

Also habe ich jetzt auch gelernt :hurra3: !

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Re: HSP - Was ist das?

Beitragvon KatrinHH » 2/5/2011, 09:48

Hallo!

Hier ein Link zur ersten Ausgabe der Zeitschrift "Blickpunkt" mit vielen Infos rund um die HSP.

http://www.hsp-verein.de/startseite/red ... unkt1.html


Viel Spass beim lesen, Gruß Katrin
Katrin (10/74), Tetraspastik / Diplegie und Epilepsie ohne Hilfsmittel; Jacqueline (9/02), HSP, eine seltene genetische fortschreitende Erkrankung, seit Sommer 2010 mit Rolli. Sie hat es vom Vater geerbt, lebt auch bei ihm.
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